Kategorie: Analysen

  • E-Commerce in der Krise: Liquiditätsprobleme und Insolvenzen

    Die jüngsten Insolvenzen im E-Commerce zeigen es: E-Commerce ist in der Krise. Die E-Commerce-Branche ächzt unter massiven Liquiditätsproblemen. Der Corona-Boom wurde nicht ausreichend genutzt, um Kapital einzuwerben, auch als Vorsorge für schlechte Zeiten wie jetzt gerade. Expertise in strukturierter Operational Excellence fehlt.

    Pandemie, Krieg und Inflation. Das Marktumfeld für E-Commerce und Einzelhandel hat sich drastisch verschlechtert. Die Anzeichen für eine Rezession verstärken sich. 

    Explodierende Preise für Energie führt dazu, dass Kunden den Gürtel enger schnallen und weniger für Konsum ausgeben. Fachkräfte bleiben knapp und auch das Kapital, wenn die Zinsen weiter steigen. Eine aktuelle Bitkom-Studie belegt die deutliche Wirkung der Inflation auf die geringer werdende Kaufkraft im E-Commerce:

    E-Commerce in der Krise: Wirkung der Inflation auf sinkende Kaufkraft im E-Commerce
    Quelle: Bitkom-Studie 2022 zu „E-Commerce in der Krise aufgrund Inflation“

    Die E-Commerce-Unternehmen sind nur bedingt auf solche exogenen Schocks vorbereitet. Die Liefer- und Logistikkette muss wieder stärker unter eigene Kontrolle gebracht werden. Ein proaktives Risikomanagement hat gänzlich gefehlt bei den meisten bisher vor allem aggressiv wachsenden Unternehmen. 

    Wir gehen davon aus, dass es noch mehr zu operativen Restrukturierungsmaßnahmen kommen wird. Die Strategie muss sich stärker an Resilienz der Geschäftsmodelle als nur kurzfristigen Wachstum ausrichten. Die volatile Nachfrage macht es notwendig, Absatzpläne in kürzeren Intervallen als bisher zu überprüfen und anzupassen. 

    Die größten Risiken für E-Commerce sind Inflation und geopolitische Veränderungen. Die Lebenshaltungskosten steigen immer weiter aufgrund der Inflation und zehren die Ersparnisse der Verbraucher auf. Dies schmälert die Kaufkraft. 

    In der Krise muss es für den E-Commerce heißen: langfristig denken, kurzfristig handeln. Neben Geschäftsmodellinnovationen und neuen Zugängen zu den Kunden braucht es auch Kostensenkungsprogramme

    „Viele Direct-to-Consumer Unternehmen haben ihr Personal in Erwartung des prognostizierten Wachstums aufgestockt“, sagt Wolfram Latschar, Experte für Operational Excellence im E-Commerce. „Jetzt werden sie diese Prognosen nicht erreichen. Die offensichtliche Antwort auf verfehlte Wachstumsziele sind Down-Sizing, die harte Überprüfung von Investitionen und die Kostensenkung.“

    Wolfram Latschar, Experte für Operational Excellence im E-Commerce
  • Beobachtungen zu E-Commerce Payments 2022

    Die Landscape an E-Commerce Payments entwickelt sich ständig weiter. Neue Technologien und Trends prägen die Art und Weise, wie wir online für Waren und Dienstleistungen bezahlen. Im Jahr 2022 gibt es ein paar Beobachtungen zu Trends, die es wert sind, beachtet zu werden (z.B. im Rahmen der Optimierung des Paymentangebots im Online-Shop für Operational Excellence).

    Pandemie Effekte auf Payment Landscape generell

    Die Covid-Pandemie hatte zwei große Auswirkungen auf die Zahlungsbranche. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich aufgrund des zunehmenden E-Commerce, der Nutzung digitaler Wallets und kontaktloser mobiler Zahlungen schnell auf digitale Interaktionen eingestellt. Die Nutzung digitaler Omnichannel-Zahlungen hat weiter zugenommen. Allerdings wurden die Ausgaben der Kunden durch Unterbrechungen der Lieferketten und Inflation eingeschränkt. Der langfristige Wachstumstrend für bargeldlosen Zahlungsverkehr bleibt intakt, wenngleich sich das Wachstum verlangsamte.

    Beobachtungen aus der Praxis

    • Die digitalen Zahlungen werden durch Asien dominiert (China, Indien), die Vereinigten Staaten folgten kurz danach.
    • Von allen verfügbaren Zahlungsmethoden für Verbraucher (inkl. E-Commerce Payments) machen kartenbasierte Optionen immer noch die Mehrheit aus (> 70%).
    • Bis 2024 werden digitale Geldbörsen voraussichtlich mehr als die Hälfte aller E-Commerce-Zahlungen weltweit ausmachen und damit traditionelle Zahlungsmethoden wie Nachnahme und Kreditkarten übertreffen. Zahlungsgateways (z.B. Adyen) spielen bei diesem Wandel eine entscheidende Rolle, indem sie Händler, Verbraucher und Händlerbanken miteinander verbinden.
    • Noch vor ein paar Jahren beherrschten PayPal, Square, Adyen und Stripe de facto den E-Commerce-Zahlungsmarkt. Seitdem ist ihr Anteil gesunken und liegt jetzt weltweit bei knapp 55 Prozent (ohne Alipay und WeChat Pay in China), während neue Marktteilnehmer den Rest unter sich aufteilen.
    • Obwohl Paypal das beliebteste Zahlungsmittel ist, haben die vier wichtigsten Zahlungssysteme unterschiedliche Geschäftsmodelle. PayPal hat eine große Präsenz in den Geschäften. Sowohl Paypal als auch Square haben ein relevantes Branding für Endkunden. Stripe und Adyen sind reine Online-Acquirer ohne Verbraucher-Branding und mit sehr unterentwickelten Offline-Produkten. Paypal und Square haben ein vergleichbares Volumen bei kleinen Händlern im mittleren Marktsegment haben, aber eine größere Präsenz in der Enterprise Klasse der Firmenkunden.
  • Bei D2C-Logistics den Turbo einlegen: Multi-Order-Picking

    In einem E-Commerce-Lager ist die Fähigkeit, die von einem Kunden bestellten Produkte schnell und genau zu kommissionieren, für den Erfolg entscheidend (Lean Logistics). Fehler bei der Kommissionierung können zu Umsatzeinbußen und unzufriedenen Kunden führen. In diesem Artikel geht es um die wegeoptimierte Kommissionierung und warum sie für E-Commerce-Lager so wichtig ist. Außerdem werden wir uns die verschiedenen Techniken ansehen, die für eine wegeoptimierte Kommissionierung zur Verfügung stehen, insbesondere das sogenannte Multi-Order-Picking.

    Die wegeoptimierte Kommissionierung ist ein Verfahren, bei dem der Weg des Kommissionierers so optimiert wird, dass die Bewegungszeit und der Weg minimiert werden. Dies kann durch Techniken wie die Zonenkommissionierung oder die Batch-Kommissionierung erreicht werden. Bei der Zonenkommissionierung werden Zonen im Lager eingerichtet und jeder Zone bestimmte Produkte zugewiesen. Bei der Batch-Kommissionierung werden Aufträge für mehrere Produkte gruppiert und dann alle auf einmal kommissioniert (Multi-Order-Picking).

    Beide Techniken können zwar die Effizienz im Lager steigern, sind aber nicht immer perfekt. Hier kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel. Mit künstlicher Intelligenz können Modelle erstellt werden, die den effizientesten Weg für einen Kommissionierer vorhersagen. Diese Modelle berücksichtigen Faktoren wie den Standort der Produkte, die Bestellhistorie und vieles mehr. Durch den Einsatz künstlicher Intelligenz kann die wegeoptimierte Kommissionierung auf die nächste Stufe gehoben werden.

    Vorteile der Steigerung der Warehouse Effizienz durch schnelleres Picking

    Wegeoptimierte Pick & Pack ist für E-Commerce-Lager wichtig, weil es zu einer höheren Effizienz und Genauigkeit führen kann. Durch den Einsatz der richtigen Techniken kann ein Warehouse die Bewegungszeit und die Entfernung minimieren, was zu einer schnelleren Auftragsabwicklung und zufriedeneren Kunden führt. Künstliche Intelligenz spielt eine immer wichtigere Rolle bei der Wegoptimierung und wir glauben, dass sie in Zukunft noch wichtiger werden wird.

    Die Optimierung deines Lagers bedeutet, dass du jeden Winkel deiner Infrastruktur sowie alle Aspekte deiner Arbeitsabläufe und Tätigkeiten unter die Lupe nimmst, um Ineffizienzen zu erkennen und zu beheben. Die Optimierung des Lagers verbessert nicht nur die Bottom-Line, sondern auch wichtige Lagerkennzahlen wie die Genauigkeit der Bestellungen und die pünktliche Lieferung. Gerade für den Erfolg in Direct-to-Consumer (D2C) sind diese kundenorientierten KPIs besonders relevant.

    Effizienzsteigerung im Warehouse ist kein einmaliges Ereignis. Es ist ein fortlaufender Prozess, der Zeit und Mühe erfordert, um ihn zu perfektionieren. Lean Management ist dabei eine zentrale Säule, um den kontinuierlichen Verbesserungsprozess durch bewährte Lean Methoden wie 5S ans Laufen zu bekommen. Um der Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein, müssen Lagerhäuser clevere Technologieinvestitionen tätigen und ihre Systeme kontinuierlich bewerten.

    Lagerleiter wissen, wie wichtig eine hohe Lagerumschlagshäufigkeit ist.

    • Höhere Einnahmen: Je mehr Artikel du in einem bestimmten Zeitraum durch dein Lager bewegen kannst, desto höher sind deine Gewinne.
    • Geringere Kosten für die Lagerverwaltung: Wenn du die Waren schnell bewegst, kannst du die Ausgaben für die Lagerverwaltung pro Produkt senken.
    • Bessere Kundenerfahrung: Die Kunden erhalten ihre Produkte schneller, was ihre Zufriedenheit mit deinem Service erhöht und zu Folgegeschäften führt.

    Multi-Order-Picking als besonders effiziente Methode für wegoptimierte Kommissionierung

    Es gibt einige Möglichkeiten, Aufträge schneller zu kommissionieren, eine davon ist Multi-Order-Picking. Je nach deinen Bedürfnissen kannst du aus einer Vielzahl von Methoden wählen, die zu deinem Arbeitsablauf passen. Zum Beispiel können mehrere Kommissionierer gleichzeitig an einem Auftrag arbeiten oder umgekehrt; eine Schicht pro Tag oder mehrere Schichten während der Woche usw. Schauen wir uns drei klassische Ansätze an (die alle Barcode-Scanner erfordern).

    Bei der Batch-Kommissionierung wird eine Reihe von Kundenaufträgen zur gleichen Zeit gesammelt. Diese Technik wird in der Regel eingesetzt, um wiederholte Fahrten zu denselben Lagerbeständen an denselben Orten zu reduzieren. Stell dir vor, du hast 10 Aufträge, für die du kommissionieren musst. Jeder Auftrag hat drei bis sechs Zeilen. Einige der identischen Produkte sind in verschiedenen Aufträgen vertreten. Es ist schneller, alle Dinge aus 10 separaten Aufträgen in einen einzigen großen Auftrag zu sortieren, als jeden Standort einzeln abzufahren und alles, was für alle 10 Kundenaufträge benötigt wird, nacheinander zu sammeln. Mit der Batch-Kommissionierung kannst du also einmal durch die Standorte gehen und mit nur einem Sammler alle benötigten Artikel für alle 10 Verkaufsvorgänge auf einmal einsammeln.

    Die größte Herausforderung besteht darin, die am besten geeigneten Transporte für effiziente Multi-Order-Picking-Runs zu finden und sie dann effektiv zusammenzuführen (Problem der Auftragszusammenstellung). Du kannst „multi-order-kommissionierbare“ Sendungen auf verschiedene Arten auswählen, z.B. die minimale/maximale Anzahl von Sendungen oder die minimalen/maximalen Artikel pro Sendung. Um den Auswahlprozess zu beschleunigen, können mehrere verschiedene Kriteriensätze miteinander verbunden und hintereinander geschaltet werden. Die Sendungen werden dann in der Regel mit „Multi Order Picking“-Läufen verknüpft, je nachdem, welche Regeln den Abstand am meisten minimieren.

  • Amazon Today mit Ship-From-Store und wie sich diese zu Micro-Fulfillment entwickeln könnte 

    Amazons neuester Vorstoß besteht darin, dass Prime-Mitglieder Produkte aus den Geschäften einiger ihrer Lieblingsmarken in der Amazon-App und auf Amazon.com zu kaufen und sich ihre Einkäufe noch am selben Tag nach Hause liefern zu lassen – und das alles mit nur einem Mausklick. 

    Amazon Today Ship from Store Micro-Fulfillment-Center

    Prime-Mitglieder in 10 ausgewählten US-Ballungszentren besuchen einfach die Amazon-App oder Amazon.com, durchsuchen die kuratierte Auswahl von Einzelhandelsgeschäften in ihrer Umgebung und wählen Same-Day Delivery. Amazon sendet die Bestellung an das Geschäft, der Mitarbeiter des Retailers führt sie aus dem Bestand des Geschäfts aus und ein Amazon-Zustellpartner holt die Bestellung im Store ab und liefert sie noch am selben Tag an den Kunden aus.

    Next Level: Konsolidierung über Micro Fulfillment Center durch Amazon 

    Amazon hat sicher verstanden, dass der oben beschriebene Prozess ineffizient und kostspielig ist. Deswegen wird Amazon vielleicht schon bald die nächste Stufe zünden: Einzelhändler davon überzeugen, ihr bestverkauftes Inventar in Amazons automatisierten Micro Fulfillment Center (MFC) zu lagern. Erste Signale lassen vermuten, dass der Ausbau von Micro-Fulfillment das nächste große Ding bei Amazon sein kann (z.B. sucht Amazon Robotics explizit Spezialisten mit dem Profil „Amazon Robotics seeks a customer obsessed and innovative Senior Electrical Engineer to lead the designs for our next generation fulfillment solutions enabling ultra-fast delivery from small footprint sites“). 

    Anstatt einen Mitarbeiter in einem Ladengeschäft mit der Ausführung einer Bestellung zu beauftragen und auf einen Fahrer zu warten, könnte Amazon sein Netzwerk von automatisierten MFCs nutzen, um Produkte aus Dutzenden von Kategorien, darunter Waren des täglichen Bedarfs, Lebensmittel, Schönheitsprodukte, Haustiere, Spielzeug, Elektronik und Bekleidung, innerhalb von Minuten auszuführen.

    Amazon könnte die Einzelhandelsgeschäfte mit Micro Fulfillment Center verdrängen, weil es ein besseres Modell ist. Walmart versucht sich bereits dafür zu wappnen. Auch Target hat die Parole „Store to Hubs“ ausgerufen und prüft MFC. 

    Warum ist eine Micro-Fulfillment-Lösung allgemein für E-Commerce Entscheider relevant?

    Hinter den MFC stehen zwei langfristige Trends, die auch für andere E-Commerce-Geschäfte genutzt werden können:

    • MFC nutzen massiv Automatisierungslösungen für logistische Kernprozesse, insbesondere Pick & Pack. Viele E-Commerce Operations Verantwortliche unterschätzen noch das Potenzial dieser Technologie-Lösungen wie Autostore etc. – zuletzt hat Arvato Supply Chain Solutions ein ebensolches System implementiert, obwohl sie das wahrscheinlich jahrelang abmoderiert, haben, mit dem Hinweis auf eingeschwungene Prozesse mit menschlichen Mitarbeitern.  
    • Die große Richtungsentscheidung zwischen „Speed vs. Flexibilität“ auf der Last-Mile haben die KundenInnen klar entschieden: schnellere Lieferungen sind entscheidend. Quick Commerce, Gorilla & Co lassen grüßen! Auch jeder Online-Shop Betreiber sollte sich überlegen, wie er mit seinen Bordmitteln und Carriern eine „Express-Option“ für seine Kunden anbieten kann. 

    Was bedeutet eigentlich „Micro-Fulfillment“?

    Micro-Fulfillment bezieht sich hauptsächlich auf die Entwicklung kleinerer Fulfillment-Center, komprimiert auf kleinstem Raum mitten in der Stadt. Micro-Fulfillment umfasst die üblichen Funktionen wie Lagern, Sortieren, Kommissionierung (mit und ohne Behälter), Verpacken, Etikettieren und Vorbereitung zur Auslieferung von Online-Bestellungen. In den letzten Jahren hat es eine deutliche Verschiebung hin zum Einsatz automatisierter Systeme gegeben. Dazu gehört die Automatisierung der gesamten Prozesskette, einschließlich der Warehouse-Logistics und Supply Chain. Ziel sind blitzschnelle Lieferungen auf Basis einer vollautomatischen Lösung. 

    Der Begriff MFC wird oft synonym mit „letzte Meile“ verwendet. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass der Schwerpunkt hier vor allem auf dem letzten Schritt der Lieferkette kurz vor Übergabe an den Last-Mile-Carrier liegt. 

    Abgrenzung zwischen Fulfillment und Microfulfillment

    Micro-Fulfillment (auch Micro-Fulfillment-Lösung genannt) wird oft mit Fulfillment verwechselt, da sich beide Begriffe auf Logistik und Lagerhaltung beziehen. Beim Micro Fulfillment Center werden jedoch keine großen Lagerkapazitäten benötigt. Vielmehr setzt Micro-Fulfillment aus Lagerräume, die wesentlich kleiner sind als in der Logistik. Sie sind in der Regel zwischen 50 und 1.000 Quadratmeter groß. Sie sind auch billiger als herkömmliche Lagerhäuser, weil sie nicht die gleichen Sicherheitsanforderungen erfüllen müssen wie große Lagerhäuser.

    Der Fokus: schnelle Auftragsabwicklung. Manuelle Prozesse sind zu minimieren. Mobile Roboter, Lagertechnik mit hohen Automatisierungsgrad kommen im gesamten Prozess zum Einsatz. 

    Was gehört zum Micro-Fulfillment?

    In erster Linie benötigt man geeignete Räumlichkeiten, die als Lager dienen oder Lagerfunktionen übernehmen. Die Bestände dieser Läger müssen dann in ein übergeordnetes System (ERP, WWS, OMS) integriert werden, um Online-Bestellungen entsprechend erfüllen zu können. Ebenso muss der Versand entsprechend organisiert sein, mit klassischen KEP-Dienstleistern oder lokalen Transportunternehmen/Kurierdienstleistern. Die Automatisierung bestimmter Prozessschritte und Abläufe muss auch anders gelöst werden als in einem klassischen großen Fulfillment-Center. Aus diesen unterschiedlichen Prozessherausforderungen lassen sich drei Typen an Microfullfilment ableiten:

    • Klassisches Fulfillment aus urbanen Raum heraus: ein typisches Lager mit herkömmlichen Funktionalitäten, allerdings in urbaner Umgebung und in deutlich kleinerer Ausführung (weit unter einer Fläche von 2000 m²).
    • Stationäres Fullfillment (Ship from store): Stationäre Ladengeschäfte eingebunden in das Fulfillment von etwa Online-Shops beziehungsweise -Marktplätzen, wo Bestellungen getätigt und zur kundennahen Erfüllung an die Läden weitergegeben werden (eben das eingangs vorgestellte Amazon Today Programm) 
    • Quick Commerce / Quick Fulfillment: Auch ultra-schnelle Lieferung genannt; wird vor allem bei Lebensmitteln sowie Medikamenten eingesetzt. Bei diesem Typ besitzen und kontrollieren die Anbieter die gesamte Prozess- und Lieferkette. Dazu können Immobilien, Software und eine Kurierflotte gehören, also von der Lagerhaltung und (Weiter-)Verarbeitung bis zur eigentlichen Lieferung eine ideale Lösung. 
  • Online-Marktplatz in der Möbelbranche am Beispiel Home24 und Mirakl

    Home24 erweitert Sortiment um einen kuratierten Marktplatz

    Der Online-Händler Home24 hat den Start seines kuratierten Marktplatzes in Deutschland bekannt gegeben – und er ist bereits geöffnet. home24 bietet über den Marktplatz mehr als 100.000 Produkte von rund 100 Dritthändlern zusätzlich an. Das Angebot reicht von Küchengeräten über Gartenwerkzeuge bis hin zu Heimtextilien. Das ist eine satte Erweiterung des Sortiments, da dies bisher ca. 150.000 Produkte umfasst. 

    Bislang verkauft das Unternehmen sowohl eigene Markenprodukte als auch Produkte von Drittanbietern in seinem Online-Shop.

    Home24 hatte bisher (zu) starken Fokus auf Artikel aus dem klassischen Möbelsegment. Somit macht auch aus dem Blickwinkel des Sortiments dieser Schritt Sinn. Die Customer Experience wird profitieren.

    Bei seinem Operating Model folgt Home24 dem klassischen Marktplatz-/Dropshipping-Modell. Die Lieferanten übernehmen die Logistik inkl. Retourenmanagement. Dadurch kann Home24 sein Sortiment in kurzer Zeit erheblich erweitern, ohne in zusätzliche Lagerbestände investieren zu müssen. Im Gegenzug erhalten die teilnehmenden Händler über den Marktplatz einen Kundenzugang, der heute für einzelne Lieferanten mit einer Direct-to-Consumer Initiative kaum erreichbar ist. 

    Home24 startet Marktplatz mit Mirakl als Software

    Home24 setzt auf Mirkal als Marktplatzlösung 

    Home24 setzte auf die Marktplatz-Software Mirakl. Mirakl gilt nach unserer Einschätzung immer noch als der Hidden Champion im deutschsprachigen Raum. Tradebyte ist der Platzhirsch, wenngleich nicht zuletzt aufgrund der Zalando-Akquisition, oft als reiner Fashion-Spezialist wahrgenommen. Laut Internetworld ging dem Go-Live eine zweimonatige Testphase voraus. 

    Dies überrascht insofern, als die Möbelbranche mit einer besonderen Variantenkomplexität bei den Artikeln umgehen muss. Die Pflege und der Upload der Artikel stellt eine besondere Herausforderung dar. Außerdem ist die Anbieterlandschaft der kleinen Möbel-Lieferanten nicht stark digitalisiert. Vor diesem Hintergrund überrascht die recht kurze Testphase.

    Made.com geht anderen Weg – und kauft kurzerhand Trouva als Marktplatzlösung

    Laut Excitingcommerce geht Made.com einen ganz anderen Weg als Home24 und integriert den Marktplatz-Anbieter Trouva vollständig inhouse. Offenbar schätzt Made.com die Komplexität der Sortimente deutlich höher ein. Daher folgen sie dem traditionellen Paradigma und setzen auf eine „Custom-Built“ IT-Lösung. Hier spielt vielleicht mit rein, dass Made.com eher Möbelsortimente über den Marktplatz verkaufen will. Home24 setzt auf ein anderes Pferd: Sortimentsergänzung in Accessoires, Heimtextilien etc. Dies spiegelt sich ggf. auch in der Artikel-Variantenkomplexität wieder. 

    Warum ist das für den Online-Handel allgemein interessant?

    Die Marktplatz-Welt war bisher fest in „Fashion-Hand“. Bei vielen E-Commerce Entscheidern stand das Paradigma fest: Fashion ist ein reifer Markt – auf Anbieter und Lieferanten-Seite. Es gibt etablierte Marktplatzlösung wie Tradebyte – für beide Seiten. Lieferanten sind geübt im Einstellen von Produkten über diese Tools. Anbieter haben entsprechende Systeme seit Langem ausgerollt. 

    Für viele Entscheider war ein Übertragen dieser Marktplatz-Logik auf komplexere, weniger digitalisierte Sortimente – noch dazu mit Standard-Softwarekomponenten und Marktplatzlösungen – unrealistisch. Home24 geht hier in Führung und zeigt, dass es auch anders geht: Standard-Software, nicht Tradebyte sondern Hidden Champion, ambitionierte Sortimentsziele, Operational Excellence, Startup-typische Implementierungs-Timeline. 

  • Luxus geht immer, auch wenn die Inflation zuschlägt

    Während sich Millionen Menschen fragen, ob sie sich in diesem Jahr weitere 1.000 Euro für Energie leisten können, geben andere immer noch Tausende von Euro für einzelne It-Items wie Luxus-Handtaschen aus, da die steigenden Preise reichere Menschen weniger stark trifft.

    Exemplarisch steht dafür Hermès, das sehr gute Unternehmenszahlen veröffentlichte. Das Konsumgüterunternehmen verdient mit seinen teuersten Produkten Geld und rechnet damit, dies auch weiterhin zu tun – trotz einer Lebenshaltungskostenkrise, die keine Anzeichen für ein Abklingen zeigt.

    Stark gestiegene Zinssätze, eine rasant ansteigende Inflation und eine anhaltende Energiekrise lassen den Schluss zu, dass die Weltwirtschaft auf eine Rezession zusteuert.

    Aber Millionen wohlhabenderer Verbraucher sitzen immer noch auf einem Polster von Ersparnissen, die sie während der COVID-19-Pandemie angelegt haben, und wollen sich nach zwei Jahren der Einschränkungen etwas gönnen.

    Hermès sieht keine Anzeichen für eine Verlangsamung in irgendeiner Region, obwohl das Unternehmen die Preise in diesem Jahr bereits um einen einstelligen Prozentsatz erhöht hat.

    Auch aus Digital-Perspektive kann Hermès sich mit eigenem Online-Shop seit Jahren sehen lassen. Die große Lektion von Hermès, die jeder lernen kann, ist, dass eine Marke, die als eine der exklusivsten und risikoaversen im Luxusbereich gilt, die digitale Welt proaktiv aufnimmt und einen Vorteil daraus zieht.
    E-Commerce ist für Hermès nichts, was den Markenwert untergräbt, sondern eine Plattform, um Kunden direkt zu erreichen und die Brand zu stärken.