Kategorie: Strategie

  • E-Commerce in der Krise: Liquiditätsprobleme und Insolvenzen

    Die jüngsten Insolvenzen im E-Commerce zeigen es: E-Commerce ist in der Krise. Die E-Commerce-Branche ächzt unter massiven Liquiditätsproblemen. Der Corona-Boom wurde nicht ausreichend genutzt, um Kapital einzuwerben, auch als Vorsorge für schlechte Zeiten wie jetzt gerade. Expertise in strukturierter Operational Excellence fehlt.

    Pandemie, Krieg und Inflation. Das Marktumfeld für E-Commerce und Einzelhandel hat sich drastisch verschlechtert. Die Anzeichen für eine Rezession verstärken sich. 

    Explodierende Preise für Energie führt dazu, dass Kunden den Gürtel enger schnallen und weniger für Konsum ausgeben. Fachkräfte bleiben knapp und auch das Kapital, wenn die Zinsen weiter steigen. Eine aktuelle Bitkom-Studie belegt die deutliche Wirkung der Inflation auf die geringer werdende Kaufkraft im E-Commerce:

    E-Commerce in der Krise: Wirkung der Inflation auf sinkende Kaufkraft im E-Commerce
    Quelle: Bitkom-Studie 2022 zu „E-Commerce in der Krise aufgrund Inflation“

    Die E-Commerce-Unternehmen sind nur bedingt auf solche exogenen Schocks vorbereitet. Die Liefer- und Logistikkette muss wieder stärker unter eigene Kontrolle gebracht werden. Ein proaktives Risikomanagement hat gänzlich gefehlt bei den meisten bisher vor allem aggressiv wachsenden Unternehmen. 

    Wir gehen davon aus, dass es noch mehr zu operativen Restrukturierungsmaßnahmen kommen wird. Die Strategie muss sich stärker an Resilienz der Geschäftsmodelle als nur kurzfristigen Wachstum ausrichten. Die volatile Nachfrage macht es notwendig, Absatzpläne in kürzeren Intervallen als bisher zu überprüfen und anzupassen. 

    Die größten Risiken für E-Commerce sind Inflation und geopolitische Veränderungen. Die Lebenshaltungskosten steigen immer weiter aufgrund der Inflation und zehren die Ersparnisse der Verbraucher auf. Dies schmälert die Kaufkraft. 

    In der Krise muss es für den E-Commerce heißen: langfristig denken, kurzfristig handeln. Neben Geschäftsmodellinnovationen und neuen Zugängen zu den Kunden braucht es auch Kostensenkungsprogramme

    „Viele Direct-to-Consumer Unternehmen haben ihr Personal in Erwartung des prognostizierten Wachstums aufgestockt“, sagt Wolfram Latschar, Experte für Operational Excellence im E-Commerce. „Jetzt werden sie diese Prognosen nicht erreichen. Die offensichtliche Antwort auf verfehlte Wachstumsziele sind Down-Sizing, die harte Überprüfung von Investitionen und die Kostensenkung.“

    Wolfram Latschar, Experte für Operational Excellence im E-Commerce
  • Der Engpass ist am Hals der Flasche – Digitale Transformation meistern

    Senior Manager sind häufig die größten Verteidiger der tradierten Geschäftsmodelle. Erfahrung ist allerdings nur dann sinnvoll eingesetzt, wenn die Zukunft wie die Vergangenheit sein wird. Eben diese Fortschreibung der Vergangenheit ist nicht Kennzeichen der digitalen Transformation, siehe z.B. Best Buy vs. Amazon oder Görtz vs. Zalando. Als Entscheider im Einzelhandel kann man somit das Ende nicht vom Anfang her sehen. Der Strategieprozess führt häufig zu Erkenntnissen, die nicht jedem Top-Manager gefallen, aber den Weg für neue Geschäftsmodelle Direct to Consumer öffnen.

    Orientierungskompass in der digitalen Transformation

    Dieser Strategieprozess mit dem Ziel der Definition eines E-Commerce Geschäftsmodells lässt sich dabei in vier Felder unterteilen:

    E-Commerce Navigator

    Alle diese Felder des E-Commerce Navigators unterliegen dabei einer permanenten Fortschrittsbeobachtung mit Feedback (Performance Management).

    Dieser E-Commerce Navigator kann genutzt werden, um in den einzelnen Arbeitsfeldern neue Optionen zu generieren. Das Handwerkszeug für diese Aktionsfelder findet sich bereits in zahlreichen Blogbeiträgen, Podcasts, Büchern und Konferenzbeiträgen. Diese Fragmente zusammenzuführen und zu kommentieren ist ein Ziel dieses Blogs.

  • Modell zur Beschreibung eines Business Models

    Business Models sind ein bestimmendes Thema in verschiedenen Branchen und insbesondere im E-Commerce / Web Business. Bisher gab es aber einen Wust an unterschiedlichen Definitionen und Ontologien zur Beschreibung eines Business Models. In der Startup / Entrepreneurship Education hat sich mit dem „Business Model Canvas“ von Alexander Osterwalder ein Quasi-Standard etabliert.

    Inspiriert und integriert wird diese Beschreibungssprache von Business Models durch die Arbeiten von Steve Blank und seinem Customer Development-Ansatz und seinen Schülern wie Eric Ries mit dem „Lean Startup“-Movement. Gerade die Verknüpfung dieser Ansätze zu einer durchgängigen Methode zur Gründung und Skalierung eines Startups ist aktuell spannend zu verfolgen. Empfohlen sei hier das neueste Buch von Steve Blank: The Startup Owner’s Manual.

  • Im E-Commerce gelernte Kundenerwartungen als Treiber für den Stationärhandel

    Der stationäre Einzelhandel funktionierte bisher vor allem durch das Angebot von Wahlmöglichkeiten bei den Kunden: Bei Aldi finden sich die günstigsten Preise, bei Kaufhof die größte Auswahl und bei einem Gucci-Flagshipstore ein überragender Kundenservice. Das Geschäftsmodell gedieh vor allem dann besonders gut, wenn der Einzelhändler eine dieser Sichtachsen (Preis, Sortimentsbreite-/tiefe, Service) besonders forcierte und sich in der Kundenwahrnehmung als führend auf dieser Achse darstellte.

    Niemand geht z.B. zum Aldi und erwartet dort ein breites Sortiment und exzellenten Service, aber die Kunden erwarten die günstigsten Preise. Dagegen zahlen die Kunden im KaDeWe gerne einen Preisaufschlag, um Marken und Produkte zu finden, die sich sonst kaum in deutschen Läden präsentieren. Soweit so gut, nun das heutige Problem: Die Kunden ändern sich, mehr und mehr Kunden geben sich damit nicht mehr zufrieden und wollen alles aus einer Hand. Gelernt haben sie diese Anspruchshaltung online bei Amazon & Co.

    Die Kunden weigern sich die vermeintlich in Stein gemeisselten Abgrenzungen zwischen „Top Preis vs. breiter Auswahl vs. guter Beratung“ zu akzeptieren. Gelernt haben sie diese neue Erwartungshaltung vor allem online, d.h. im E-Commerce und verstärkt im Social Commerce. Angeführt durch Amazon hat es der E-Commerce geschafft die Erwartungshaltung der Konsumenten neu zu definieren. Diese sind durch Amazon daran gewöhnt, dass es nicht nötig ist ins Gewerbegebiet zu fahren, um bei miserablen Serviceniveau niedrige Preise zu bekommen. Die neuen Kunden bekommen diese Top-Preise in ihr Wohnzimmer geliefert, beraten durch tausende andere Nutzer und der bestellte Artikel ist als Prime-Kunde auch noch mit kostenfreiem Overnight-Express am nächsten Morgen da. Dieser Trend wird durch Amazon Marketplace noch verschärft: Ein Unterbieten der Amazon-Preise durch Dritte ist nicht nur gewünscht, sondern Amazon verpflichtet Marketplace-Händler sogar dazu die günstigsten Preise anzubieten.

    Um diesen Herausforderungen gewachsen zu sein, muss der stationäre Einzelhandel auch die ungeschriebenen Gesetze des eigenen Geschäftsmodells hinterfragen, z.B.:

    • Eine Einzelhandelskette, die sich vor allem durch überragenden Service und breites Sortiment differenziert, könnte das Abwandern von Kunden zu preisführenden Online-Wettbewerbern verhindern durch das Einführen von preisaggressiven Eigenmarken, die Kunden in Einstiegslagen abholen. Decathlon ist best practice in dieser Strategie.
    • Elektronikhändler können ihre starken Einkaufsbeziehungen zu Herstellern nutzen, um besonders innovative Technologien, die bei anderen (Online-)Händlern kaum verfügbar sind, früher (und idealerweise exklusiv) einzuführen und sich so dem harten Preisvergleich zu entziehen. Best Buy verfolgt erfolgreich diese Strategie, z.B. mit der Einführung von Google TV in den USA.
  • Trendreport 2011 – Emotionalisierung im E-Commerce

    Eine der Herausforderungen 2011 im E-Commerce ist der Trend zu mehr Emotionalisierung. Im Kern geht es darum aus dem Bedarfsdecker-Medium Internet einen Bedarfswecker zu machen, der zu Impulskäufen verleitet.

    Ein Trend der bereits mit Live- und Club-Shopping seit einigen Jahren an Fahrt aufnimmt und nun in Form von verfügbaren Online-Shop-Features auch von klassischen E-Commerce Playern übernommen wird.  Bei Live–Shops wie „one day – one deal“-Formaten (z.B. Woot) und Club-Ansätzen (z.B. Brands4Friends) stehen die limitierten Verkaufs-Aktionen im Vordergrund. Der Nutzer weiß häufig kaum im Vorfeld welche Aktionen laufen und wird über spielerische Elemente und eine gefühlte Verknappung des Angebots zu Spontankäufen verleitet. Solche emotionalen E-Commerce-Konzepte haben bisher vor allem die Power-Shopper im Internet adressiert. Dadurch dass mittlerweile viele dieser Features als Standardmodule in Shopsystemen verfügbar sind (z.B. die Magento Club-und Einladungsextension mit der bekannten Referenz Zalando Lounge), wird Emotionalisierung im Shop-Frontend auch die breite Masse von kleinen und mittleren Online-Shops noch stärker prägen. In diese Emotionalisierung im E-Commerce fallen auch solche „Features“ wie Blätterkataloge, In-Video-Shopping und Zoom-Serverlösungen.

    Emotionalisierung als Ausweg aus der Preisfalle?

    Spannend zu beobachten wird sein, wie diese Emotionalisierung im E-Commerce auch ohne Adressierung der Schnäppchenjäger-Mentalität der Nutzer erfolgreich umgesetzt werden kann. Denn daran kranken noch die meisten Live- und Club-Shopping-Konzepte: Diese funktionieren vor allem durch den (zumindest gefühlten!) deutlichen Preisvorteil gegenüber regulären Shops und Filial-Händlern. Ein Benchmark für die Verknüpfung der emotionalen Live-Shopping-Funktionalität mit exklusiven und hochpreisigen Produkten ist Charles & Marie (Soupe du Jour):

  • Begriffsverwirrung Multi-Channel-Retailing – Multichannel

    In der aktuellen Blog-Diskussion zur dominanten Strategie für den Erfolg im E-Commerce wird glücklicherweise immer besser zwischen Multi-Channel-Retailing, Hybrid-Modellen und Pure-Play-Ansätzen unterschieden. In Beratungsalltag mit diversen Versendern, stationären Einzelhandelsketten, Online-Händlern und Medienunternehmen stößt man aber immer noch auf mangelnde Trennschärfe in der Definition der unterschiedlichen Betreibermodelle im E-Commerce.

    A) Multi-Channel-Retailing / Multi-Channel-Handel (= Multichannel im engeren Sinne)

    = Verzahnung von stationärem (!!) Offline-Kanal mit dem Online-Kanal, z.B. John Lewis oder ARGOS.

    B) Hybrid-Modelle / „Mehrkanal-Händler“ (= Multichannel im weiteren Sinne)

    = Verknüpfung von einem bestehenden Absatzkanal mit Distanzhandel, ursprünglich in Form des Katalogs; z.B. Neckermann in den Anfangsjahren, Club Bertelsmann. In der heutigen Zeit vor allem Verzahnung mit Online-Absatzkanal, z.B. Otto. Die meisten heutigen Hybrid-Modelle finden sich in der typischen Konstellation „Katalog-Versender goes Online“.

    C) Online-Pure-Player

    = These, dass in Wachstumsmärkten die Fokussierung auf den wachstumstreibenden Kanal und ein Logistik- und Service USP entscheidend ist für den Erfolg, z.B. Amazon, Zalando.

    Beim modernen Multi-Channel-Handel der ersten Kategorie (A) wird im höchsten Reifegrad der Online-Kanal als strategische Wachstumschance erkannt und zum gleichberechtigten Kanal ausgebaut. Diese vollwertig in das Stationärgeschäft (!) integrierten Multi-Channel-Business Models bei denen der Online-Kanal signifikante zweistellige Prozentwerte des Gesamtumsatzes generiert, finden sich (fast) nur in UK und USA. ARGOS erwirtschaftete z.B. im Geschäftsjahr 2009/2010 43% seines Gesamtumsatzes durch Multi-Channel-Retailing-Maßnahmen (z.B. online reservieren – stationär abholen). Heinemann schätzt ein, dass in Deutschland allenfalls Globetrotter als echter Multi-Channel-Retailing Case gelten kann.

    Die Hybrid-Modelle der klassischen Mehrkanal-Jongleure (B) sind dagegen richtigerweise nicht zielführend. Wachstumshemmend wirkt sich häufig aus, dass bei Hybrid-Modellen das bisherige Geschäfts als „Lead-Channel“ definiert wird. Martin Meinreken von Yalook fasst auf dem Shopanprobe-Blog in seinem sehr lesenwerten Beitrag den Mythos der erfolgreichen Verzahnung von Katalog und Online so zusammen:

    Die Beispiele zeigen, wie stark sich die beiden Geschäftsmodelle eCommerce und Katalogversandhandel unterscheiden, obwohl beide zum Distanzhandel gehören. Katalog und Internet sind weit mehr als nur unterschiedliche Kanäle, beides sind eigene Geschäftsmodelle. Um im eCommerce erfolgreich zu sein, braucht es andere Prozesse, Denkweisen und letztlich auch Menschen mit dem passenden Know How.

    Bei dem Online-Pure-Player-Ansatz (C) ist es spannend zu beobachten, dass die Zahl dieser reinen Online-Player in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Mittlerweile kommen immer mehr Direct to Consumer Geschäftsmodelle hinzu, die aber selten gänzlich ohne stationäres Geschäft sind. Heinemann fasst in seinem Buch Web-Exzellenz so zusammen:

    Reine Online-Händler, also die „Pure-Online-Händler“, sind immer seltener anzutreffen. Insgesamt beträgt der Marktanteil der reinen Online-Händler am E-Commerce-Umsatz nur noch ca. 26 Prozent. Allerdings findet sich unter den „Pure-Playern“ auch die höchste Innovationsrate.

    Vor dem Hintergrund der oftmals schwierigen Unterscheidung zwischen „echtem“ Multichannel und „Hybrid-Modellen“ plädiert u.a. Heinemann für die Neupositionierung unter dem Begriff des Cross Channel Managements.