Kategorie: Analysen

  • Business Model Explosion

    In der innovativen Speerspitze des E-Commerce explodiert aktuell die Bandbreite der Business Models. Insbesondere durch die Neuausrichtung des Commerce-Gedankens hin zu mehr Social Commerce. Die neuen Business Models fokussieren sich darauf online besser zu unterhalten, zu begeistern und zu inspirieren. Dadurch kann das vermeintlich ungeschriebene Gesetz des E-Commerce „Im Internet wird nicht geshoppt, sondern gezielt gekauft“ transformiert werden. Wesentliche Schwerpunkte in der Bandbreite der Business Models sind:

    • Woot / Live-Shopping / „one day – one deal – mit Betonung auf Deal, d.h. Verknappung, zeitliche Limitierung, knackiger Preis und Zielgruppen-affine Präsentation der Produkte“
    • Vente Privee / Club-Shopping / „Mix aus großen Marken, kleinen Preisen und Zeitdruck – garniert mit einer Prise vermeintlicher Exklusivität“
    • Groupon / Couponing / „Gutscheine für Friseure und Fitnessstudios – mit dem besonderen Hebel der nicht eingelösten Gutscheine und dem Nachteil des großen Anteils Muskelarbeit zum Aufbau des Geschäftsmodells“
    • QVC / Teleshopping / „Verkaufen über den Gartenzaun – man glaubt es kaum. Aber Mutti findet Glööckler wirklich vertrauenswürdig und kauft deswegen besonders viel und mit gutem Gefühl“
    • Swoopo / Preisdynamos / „Auktionen mit Gebotskosten erzeugen Mund-zu-Mund-Propaganda“
    • MyMuesli / Mass Customization / „Produkte zu 100% an den individuellen Bedürfnissen des Kunden ausrichten und Kunden in die Wertschöpfung einbeziehen“
    • Threadless / Crowdsourcing bzw. Open Innovation / „Auslagerung der wertschöpfenden Tätigkeiten an die Community – und diese sind begeisterte Designer und Verkäufer; kurz: 100% nutzergetrieben“
    • Dawanda / Neue Marktplatzkonzepte / „z.B. für handgemachte Unikate – mit dem besonderen Fokus auf Frauen als Online-Zielgruppe“
    • MyFab / Innovation im Geschäftssystem / „Kaufmännisch lukrative Vorabbestellungen kombiniert mit Innovation im Produktionsprozess – sozusagen die Prinzipien der Teekampagne online transformiert“

    Diese Explosion der Geschäftsmodelle ist Stand heute nur schwer zu überschauen und die Komplexität wird durch viel „Window dressing“ der Startups und Investoren stark erhöht. Es gibt leider keinen mir bekannten Ansatz, die neuen Entwicklungen im E-Commerce zu strukturieren. Dazu gehört auch eine einheitliche Sprache (Notation) um Business Models zu modellieren und zu strukturieren. Das Denken in Business Models und das Weiterentwickeln ebensolcher ist die große Chance dieser spannenden Zeit.

  • McKinsey kommt – jetzt auch in die E-Commerce Beratung

    Passend zum Theaterstück „McKinsey kommt“ agieren bei einigen der großen Themen im E-Commerce und MCR in letzter Zeit immer öfters die großen Strategieberatungen: Bei Media-Saturn und DHL MeinPaket.de die McKinsey-Truppe, bei angelsächsischen Multichannel-Retailern die Javelin Group und bei der Dohle Handelsgruppe ist Accenture aktiv.

    Diese Art der umsetzungsnahen Beratung ist eher untypisch für die großen Strategieberater; zeigt aber auch sehr gut den Strukturwandel, den die Berater-Branche gerade erlebt. Accenture Deutschlandchef bringt diesen im Handelsblatt auf den Punkt:

    „Alle klassischen Strategieberater wollen raus aus der Strategieecke“

    Auch der Branchenprimus McKinsey versucht mit stärker umsetzungsorientierten Themen wie E-Commerce bei den Vorständen zu punkten. Dazu hat die Unternehmensberatung das „McKinsey Capability Center“ eröffnet, in dem Fach- und Führungskräfte im Digitalen Marketing geschult werden. Laut FAZ bauten die Teilnehmer dabei für einen Weinhändler den Online-Shop auf und spielten anhand dessen die wesentlichen Strategie- und Operationsentscheidungen durch. Daneben kann der Mandant via McKinsey Solutions eine Analyse erhalten wie sich die Reputation des Unternehmens in sozialen Netzwerken verändert. Die Vorstellung des E-Commerce Benchmarking-Tools OMEX gemeinsam mit Google z.B. auf dem Europäischen Handelskongress zeigt, dass McKinsey auch den Weg in die E-Commerce-Beratung vorbereitet.

    Accenture profiliert sich mit einer der wenigen ernstzunehmenden Studien zum Multi-Channel-Retailing. Gemeinsam mit der GfK kommt Accenture zu den Schluss, dass Multi Channel Kunden „wertvoller“ als Einkanal-Kunden sind. Bestbuy macht mit Multichannel-Kunden bis zu 95% mehr Umsatz bei 80% mehr Marge. Diese Studie gibt auch einen wertvollen Hinweis auf eines der „Hidden Champions Sortimente im E-Commerce“: die Kinderkleidung, bei der fast 150 Prozent Wachstum in den nächsten Jahren prognostiziert wird. Vom inhaltlichen Reifegrad macht die Accenture Vorgehensweise für Multichannel Commerce den komplettesten Eindruck, schließlich beschäftigt Accenture sich schon seit mehreren Jahren mit dem Thema.

    Die Javelin Group wiederum punktet mit ihrem praktischen Know-How rund um Best Practices im Multi-Channel-Retailing in UK und USA. Benchmarks wie John Lewis oder Nordstrom zeigen wie man mit intelligenten und nützlichen MCR-Features bis zu 10% des Gesamtumsatzes online generieren und für das Gesamtunternehmen mehr Wachstum erzeugen kann.

  • Verkauf von Takko – Online-Shop auf Eis?

    Mit dem Verkauf des Textildiscounters Takko von Advent an Apax Partners ist einer der größten Trade-Sales 2010 abgeschlossen worden. Der Preis liegt bei 1,3 Milliarden Euro. Finanzinvestoren reichen Takko nunmehr zum dritten Mal an Kollegen weiter (Advent kaufte 2007 für rund 800 Mio Euro von Permira). Der Trade-Sale kommt doch etwas überraschend, da im Rahmen des Dual-Track-Verfahrens neben dem Verkauf auch ein Börsengang vorbereitet wurde, und bei IPOs in der Regel höhere Bewertungen erzielt werden können. Auf der anderen Seite analysiert die FTD treffend, dass Finanzinvestoren den Komplettverkauf bevorzugen und bei der aktuellen Börsenlage  können sie nur 50% der Anteile platzieren. Ähnliche Überlegungen gingen wohl auch dem Verkauf von Payback an AMEX voraus.

    Takko hat in Deutschland ca. 1.400 Filialen und setzt ca. 1 Milliarde Euro um. Takko konkurriert mit kik, Ernstings Family und NKD (die ich wiederum beim Ausrollen eines Online-Shops beraten durfte). Apax sieht bei Takko noch Flächenproduktivitätsreserven und Wachstumspotenzial – auch und gerade im E-Commerce!  Mit dem Store-Konzept 1982 attackiert Takko direkt H&M und Zara – mit preisaggressiven Basic-Teilen. Der Takko-Deal scheint somit die Speerspitze einer Renaissance der M&A-Deals zu sein.

    Durch den Eigentümerwechsel müssen Takko-Kunden wohl noch weiter auf einen Takko-Online-Shop warten (hier gab es ursprünglich einige Gerüchte). Via Fabeau.

  • Teleshopping und E-Commerce – Branchen-Herausforderung 2011

    Die Online-Shops der Teleshopping-Unternehmen in den USA generieren einen Umsatzanteil von fast 40%. Spätestens 2012 werden mehr als 50% online erlöst (laut Teleshopping-Experte Ingo Schnall). Und dabei ist dieses Potenzial noch nicht das Ende der Fahnenstange, wie nicht nur Ingo so zusammenfasst:

    Noch ist es den Teleshoppern erst in Ansätzen gelungen, seine Erfolgsfaktoren aus dem TV auf die Webwelt zu übertragen. Zu wenig Emotion, zu wenig Event, zu wenig Interaktion mit dem Kunden.

    Dabei ist das TV-Teleshopping genau dafür Vorreiter, was dem E-Commerce häufig noch so abgeht: das emotionale Verkaufen. Im TV wird in den Verkaufsshows wenig über die Eigenschaften des Produkts gesprochen, sondern es wird „geschwärmt, geträumt, Bedürfnisse geweckt“. Der Mensch macht das Gefühl – im TV. Die Moderatoren sind die Topseller und Umsatzbringer im Teleshopping, um sie wird heiss gekämpft.

    Auch online versucht QVC & Co seine Erfolgsrezepte umzusetzen, z.B. durch das Aufbauen des dedizierten Online-Hosts Courtney Cason. In dem lesenswerten Artikel von Ingo Schnall wird deutlich, das aber gerade dieses Adaptieren des TV-Erfolgskonzepts in die Online-Welt nur bedingt funktioniert bzw. noch nicht mit dem nötigen Mut vorangetrieben wird.

    Aufgrund dessen dass das Wachstum des TV-Teleshoppings – gerade in Deutschland – noch nicht ausgereizt ist und der E-Commerce-Impact erst vor der Entfaltung steht, ist der Teleshopping-Markt einer der spannendsten Märkte für 2011.

  • Zalando – Number Crunching

    Zalando gehört mit Sicherheit zu den E-Commerce-Gesprächsthemen 2010. Einige Zahlen, Daten und Fakten zum E-Commerce Phänomen Zalando.

    • Investoren haben Zalando mit 370 Millionen Euro bewertet
    • Zalando läuft nicht mehr auf Magento, auch nicht auf Hybris – sondern migriert auf eine Eigenentwicklung
    • Mehr als 300.000 Nutzer besuchen täglich Zalando

    Zalando Traffic

    • Die Spekulationen zum Umsatz reichen von 100 bis 400 Millionen Euro
    • Zalando hat von Januar bis September 2010 in Summe 59 Mio Euro mehr als in der Vorjahresperiode für TV-Werbung ausgegeben
    • Damit kommt Zalando auf eine Gesamt TV-Werbeleistung von 61 Mio Euro gegenüber nur 3 Mio Euro in 2009 (zum Vergleich: Otto kommt nur auf 13 Mio Euro; Zweitplatzierter Unister auf 39 Mio)
    • Aus dem ursprünglichen Geschäftsmodell der Samwers „rascher Exit an Zappos“ ist nichts geworden
    • Dadurch änderte Zalando seine Strategie und wandelt sich mehr und mehr zum Online-Shop mit dem breiten Fashion-Sortiment
    • Zalando kaufte im Mai 2010 das Online-Fashion-Outlet MyBrands und verfügt mit der Zalando Lounge über ein eigenes Club-Shopping-Outlet
    • Zalando hat mittlerweile die zwölfte Finanzierungsrunde hinter sich
  • iPod Nano als Armbanduhr – Best Practice im Crowdfunding

    Eine Technikidee, die sich um einen iPod Nano und eine Armbanduhr dreht, bricht aktuell alle Rekorde online. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter hat dieses Projekt bisher über 550.000 Dollar Startkapital von mehr als 8.000 Unterstützern eingesammelt. Die Idee zur iPod-Armbanduhr ist der US-Designfirma Minimal gekommen. Die Köpfe hinter Minimal haben mit maximal 12.000 Dollar gerechnet.

    Das TikTak-Projekt zeigt auf, wie man kreative Projekte besonders erfolgreich auf Crowdfunding-Plattformen darstellen kann:

    • Das Produkt wird als Erzählung dargestellt, bei der der gesamte Entwicklungs- und Produktionsprozess transparent wird. Dabei stellen die Macher ihre ersten Ideenskizzen vor und den Weg zum Prototyp. Sie erzählen somit die Geschichte hinter und zum Produkt.
    • Es werden hochwertige Fotos und Videos verwendet.
    • Die Finanzierung / Spenden können nicht nur mit einem festen Betrag erfolgen, sondern nach dem so genannten Treppenstufenkonzept. Dabei haben die Fans die Möglichkeit unterschiedliche Summen bereitzustellen. Schon mit 25$ kann man dabei sein und erhält die iPod-Armbanduhr zum Vorzugspreis. In weiteren Stufen geht es hoch bis zur 500$-Spende mit je Treppenstufe höheren Benefits für den Spender.
    Quelle: Minimal Designagentur
    Quelle: Minimal Designagentur

    Kickstarter hilft Erfindern, Künstlern und NGOs bei der Suche nach Unterstützung für ihre Ideen und Projekte. Burkhard Schneider vom Best Practice-Blog fasst das Konzept von Kickstarter so zusammen:

    Auf kickstarter kann man kreative Projekte unterstützen. Man erhält keine Beteilgung, wird aber trotzdem nicht ohne Gegenleistung abgespeist. Ja nach höhe der finanziellen Unterstützung können sich die Projektbetreuer individuell Dinge ausdenken, die sie als Gegenwert zur Verfügung stellen, ob das ein T-Shirt, eine Musik-CD oder ein Privatkonzert ist.

    Auf kickstarter können nicht nur Musiker Geld einsammeln, sondern alle Kreative. Es ist auch egal, ob es sich um ein Profit oder Non-Profit-Projekt handelt. Jedes Funding-Projekt ist zeitlich begrenzt und nur wenn die Mindestsumme zusammengekommen ist, müssen alle Supporter ihr Geld locker machen (via Kreditkarte). Im Falle des Erfolges erhält kickstarter 5 % Provision von dem eingesammelten Geld.

    Auch Garmz ist als Vermarktungsplattform für talentierte Modedesigner ein Beispiel für den Trend zum Crowdfunding. Analysten wie Joao Belo sind allerdings skeptisch, ob das Crowdfunding-Konzept von Garmz aufgehen kann.