Autor: Wolfram Latschar

  • Online-Kundenverhalten und Kaufprozesse verändern sich durch E-Commerce

    Der E-Commerce verändert die Rolle des Handels im Kaufprozess der Konsumenten. Das Kundenverhalten manifestiert sich in Form des Kaufprozesses, der sich in mehrere Prozessschritte untergliedern lässt. Diese Kaufprozessanalyse hilft beim Verständnis für die Transformationswirkung des E-Commerce.

    Klassische Kaufprozess-Modelle, wie in diesem McKinsey-Paper beschrieben, werden häufig auch für die Analyse des Kaufverhaltens im Internet herangezogen: Der Kunde nimmt das Produkt bewusst wahr (Bekanntheit), durchläuft dann die Phasen der Kauferwägung bis zum eigentlichen Kauf und kehrt im besten Fall als Wiederkäufer zum Händler zurück. Dieser Ansatz entspricht dem Trichter-Modell (Sales-Funnel). Der Konsument hat zu Beginn viele Produkte oder Marken im Kopf, reduziert diese im Laufe eines Entscheidungsprozesses bis er schließlich kauft.

    Ansätze wie die Consumer Decision Journey visualisieren den Kaufentscheidungsprozess eher als zirkuläre Konsumenten-Entscheidungs-Reisen. Kern dieses Ansatzes ist die Aufgabe der Annahme, dass der Konsument seine Wahl systematisch immer stärker eingrenzt. Statt dessen kommen ständig neue Alternativen hinzu oder fallen weg. Social Media treibt und beschleunigt diese Entwicklung. Diese Customer Decision Journey besteht aus vier Phasen: Erwägen, Bewerten, Kaufen sowie Genießen/ Empfehlen/ Treu bleiben. Das Modell dieser Kaufentscheidungstour wird im Harvard Business Manager und McKinsey Quarterly beschrieben.

    Im Internet wählt der Kunde zuerst das Produkt und dann erst den Anbieter

    Social Media und die Meinung anderer beeinflusst maßgeblich die Evaluations-/Bewertungsphase. Viele Online-User gehen in dieser Phase gezielt auf Amazon oder andere Plattformen und recherchieren zu der gewünschten Produkt-Art. Durch die Empfehlungen kommen durchaus auch neue Produkte und Marken ins Spiel, die so vorher noch nicht im „relevant set“ des Nutzers waren. Die Website der Hersteller wird selten für solche Recherchen genutzt, auch weil sich hier kaum glaubwürdige Dritt-Meinungen finden. Der Social Feedback Cycle veranschaulicht diesen Effekt ähnlich der Consumer Decision Journey.

    Marktforschung bestätigt die Bedeutung von Bewertungen und Kommentare anderer Nutzer für Kaufentscheidung

    Die ACTA Online-Studie des Allensbacher Instituts für das Jahr 2011 bestätigt den besonderen Einfluss der Bewertungen anderer in Social Media und Networks für die Kaufentscheidung.

    http://www.acta-online.de

    Der Handel als „Point of Decision“ verliert dadurch massiv an Bedeutung. Der Händler wird nur noch als „Point of Sale“ wahrgenommen. 

    Konsequenzen für das Marketing

    Marketing-Entscheider verteilen die Budgets zu stark nach Kanälen (TV, Print, Online etc.) und nicht auf die verschiedenen Phasen. Das führt dazu, dass die Phasen „Erwägen“ und „Kaufen“ überproportional budgetiert werden. In den Phasen des „Bewerten“ und „Empfehlen/ Treu bleiben“ ist häufig die Empfehlung eines anderen der einzige Kaufanreiz. Moderne Marketer sollten sich mehr darauf fokussieren diese Influencer und Fürsprecher zu gewinnen. Daher ist auch der Begriff des „Social Media“ irreführend, da es hier eben nicht nur um einen weiteren „Kanal“ geht.

    Mehr über die Konsequenzen des neuen Online-Kaufprozesses lässt sich Buch Web-Exzellenz im E-Commerce nachlesen; eine Inspiration für eigene Massnahmen z.B. in dieser Präsentation finden.

  • Quo Vadis Magento und seine Integratoren?

    Zur Zukunft von Magento nach dem Kauf durch eBay und der X.Commerce Initiative wurde viel geschrieben: zum Beispiel diese sehr guten Analysen. Diese beleuchten vor allem die technologischen Auswirkungen und Zukunftschancen. Sie fokussieren sich somit auf die „out of the box“ Funktionen und Fähigkeiten von Magento.

    Eine andere Perspektive, die für Auftraggeber und Händler aber mindestens genauso wichtig sein sollte, ist der technische Umsetzungspartner und seine Fähigkeiten (sprich zumeist eine Agentur oder IT-Dienstleister, häufig „Integrator“ genannt). Denn die Shopsoftware soll verkaufen, Emotionen beim Kunden erzeugen, neue Geschäftsmodelle wie Live-Shopping in allen seinen Facetten möglich machen usw.

    Magento ist somit Knetmasse in den Händen des Integrators. Sie soll zu einem individuellen Wettbewerbsfaktor ausgebaut werden. Dazu sollte ein Integrator nicht nur Techie sein, sondern auch die Business-Brille aufhaben. Wie Jochen Krisch richtigerweise fordert, geht es um vom Kunden her gedachte Geschäftsmodelle und nicht nur darum eine Shopsoftware an das CD/CI anzupassen, Produktkataloge einzupflegen und out-of-the-box Features zu konfigurieren.

    Gerade hier verspricht das offene Konzept von Magento viel Potenzial. Die Integratoren können vollkommen frei unter der Motorhaube werkeln und z.B. vertikale Lösungen entwickeln, die auf die Geschäftsmodell-Herausforderungen einzelner Branchen angepasst sind (insbesondere Fashion). Leider lassen viele Magento-Integratoren hier noch Potenzial brach liegen. Sie müssten sich noch mehr als „Geschäftsmodell-Innovatoren, die auch dieses Geschäftsmodell in Software gießen können“ verstehen. Anstatt immer nur Requirements abzufragen, zu priorisieren und in mehr oder weniger ausgefeilten Projektmanagementmethodiken „on time“ abzuliefern. Getreu dem Motto: „Garbage in – Garbage out“ ist diese Vorgehensweise nicht ausreichend um sich am Markt zu differenzieren – weder für die Händler noch für die Integratoren.

    Die Händler wollen das nicht und sind nicht bereit dafür zu bezahlen? Falsch. Sie kennen es einfach nicht besser. Gerade bei Magento wollen die Händler gezielt an dem Wissen der Integratoren aus anderen E-Commerce Projekten partizipieren. Daher ist die Frage an die Integratoren: Welche Lessons Learned stellt man hier in den Vordergrund? Eine Chance für innovative Integratoren, die sich als „Umsatzmaximierende Berater mit eingebauter Umsetzung“ verstehen. Diese Integratoren wissen an welchen Stellschrauben man drehen muss, um Erfolg im Social Commerce zu haben – weil sie es schon oft mit und für andere Kunden gemacht haben. Nicht nur einfach Software programmiert und hingestellt. Mit einem solchen Selbstverständnis können Magento-Dienstleister eine Lücke im Markt schließen.

  • Peek & Cloppenburg übt Check & Reserve

    Peek & Cloppenburg (West) startete am 8. November 2011 seinen renovierten Online-Auftritt. P&C bezeichnet das Konzept als „Online Schaufenster für Fashion“. Der Name ist Programm. Die Webseite ist wie ein klassischer Online-Shop aufgebaut. In den Kategorien wie Damen, Herren, Kinder wird das Sortiment bis auf eine Produktdetailansicht in seiner Breite dargestellt.

    Nur Bestellen kann man nicht. Stattdessen gibt es die Möglichkeit die Verfügbarkeit des Artikels in der nächstgelegenen Filiale zu überprüfen. Eine direkte Möglichkeit sich die Ware in der betreffenden Filiale reservieren zu lassen, fehlt leider. Dabei ist dieser Check & Reserve genannte Service für viele stationäre Händler ein Wachstumsthema. Diese Zahlen von Argos aus dem Jahr 2009 zeigen die Dynamik hinter diesem Feature.

    Ein entscheidender Vorteil, den Peek & Cloppenburg mit dem Check & Reserve Service bieten könnte, ist die Verknüpfung von Online und stationärem Handel. Insbesondere durch die Möglichkeit, Modemarken direkt im Store zu reservieren und anschließend in der Filiale abzuholen, würde P&C eine Lösung anbieten, die Kunden anzieht. Für viele Verbraucher ist der sofortige Zugang zu Produkten ein wesentlicher Kaufanreiz. Die Integration solcher Angebote, beispielsweise auch in der Newsletter-Anmeldung, könnte der Unternehmensgruppe langfristig mehr Kundenbindung und steigende Verkaufszahlen bringen. Der Service „Reserved Peek und Cloppenburg“ würde P&C einen klaren Wettbewerbsvorteil verschaffen.

    Die von P&C geprüften Warenbestände werden laut Hinweistext auf der Seite aber nur einmal pro Tag auf den neuesten Stand gebracht. Passend hierzu dieses Statement in der Textilwirtschaft, in dem der Generalbevollmächtige von P&C Adrian Kiehn unterstreicht, dass man erst einmal Erfahrungen im Online-Kanal sammeln möchte. Esprit verfügt anscheinend über genauere Bestandsinformationen, da hier zumindest unterschieden wird zwischen „verfügbar“ und „geringer Bestand“. Ein Reservierungsmöglichkeit fehlt leider auch hier.

    Apple zeigt welche Reserven bei Check & Reserve noch liegen. In den USA ermöglicht Apple seinen Kunden online bestellte Ware nach 1 Stunde in den Apple Stores abzuholen. Noch schneller geht’s mit der Apple Shopping App: Hier garantiert Apple die Abholung der Ware in nur 12 Minuten nach der erfolgreichen In-App-Bestellung.

    Check & Reserve kann somit eines der (noch möglichen) Alleinstellungsmerkmale des Stationärhandels im Online-Business sein. Wenn ich als Kunde das Produkt jetzt sofort haben will, dann wäre dies eine Problemlösung, die der Filialhandel anbieten könnte.

    Auf den Go-Live von P&C aufmerksam wurde ich übrigens durch einen Tweet von Stefan Schmidt, seines Zeichens Director Product Strategy bei Hybris – Danke dafür!

  • Wer zu spät kommt, den bestraft Amazon: Best Buy schließt alle Filialen in UK

    Best Buy schließt in UK alle 11 Megastores. Die UK Filialen des US-Unterhaltungselektronik-Riesen haben viel Geld verbrannt. Im Fiskaljahr 2011 steigerten sich die Verluste auf 46.7 Millionen Pfund, von 28.8 Millionen im Jahr zuvor. Das Schließen der 11 Megastores wird weitere 65-75 Millionen Pfund kosten.

    Die von UK ausgehende Europa-Offensive von Best Buy scheint damit ein jähes Ende gefunden zu haben. Best Buy plante ursprünglich mit mehr als 100 Filialen in Europa. Zu dieser jüngsten Entwicklung passt der Stopp der Expansionspläne Richtung China und Türkei, der bereits Anfang diesen Jahres veröffentlicht wurde. Ob der Online-Shop des Multichannel-Händlers in UK unter bestbuy.co.uk ebenfalls geschlossen wird, ist noch nicht bestätigt worden (Quellen: Reuters, Best Buy News, EConsultancy).  

        

    Diese Nachricht belegt die Krise, die Unterhaltungselektronikhändler weltweit durchlaufen. Diese spüren am eigenen Leib den Wettbewerbsdruck von Amazon und anderen Internethändlern. Der folgende Kommentar eines Nutzers in einem englischen Blog zum Rückzug von Best Buy in UK illustriert das Dilemma:

    Best Buy is really a joke. They have terrible prices (although they say they will match any price, they won’t match their biggest competitor, Amazon), the staff literally stand around talking amongst themselves while you wait to be helped, and if you do get someone to help you they usually know less about what your asking than you do. I only use Best Buy to try stuff before I go buy it on Amazon. (Quelle: Kommentar von Warlock)  

    Das einseitige Setzen der Unterhaltungselektronik-Händler auf das Preis-Thema ist ein Fehler. Wie Jochen Krisch richtig feststellt, gehören Auswahl und Preisführerschaft nicht mehr zu deren Wettbewerbsvorteilen. Der Stationärhandel insbesondere im Elektronikgeschäft hat dabei durchaus USPs  mit denen er sich von Online Pure-Plays absetzen kann:

    • Liefer- und Anschlussservice
    • TV-Einstellservice und Wandmontage
    • Vor-Ort-Reperaturservice
    • Abholservice bei Reklamationen / Garantiefällen
    • Ware sofort verfügbar im nächstgelegenen Store und dadurch direkte Kaufmöglichkeit (Online Reservieren, stationär abholen)

    Eben an diesen Punkten versucht sich aktuell der Saturn-Onlineshop. Saturn.de macht den Kunden den Same Day Pickup besonders schmackhaft. Mit dieser Funktion können Kunden die Produkte direkt nach dem Online-Kauf noch am selben Tag im nächstgelegenen Markt abholen. Es bleibt abzuwarten, ob die Kunden dies zu schätzen wissen.

    Alle anderen Einzelhändler sollten sich einer Frage stellen: Bleibt der Wettbewerbs- und Transformationsdruck von Internet Pure Playern auf die Unterhaltungselektronikbranche beschränkt oder breitet er sich weiter aus?  

  • Think big – Berlin als europäische Startup City

    Berlin entwickelt sich zu einem europäischen Silicon Valley. Berlin hat den richtigen Mix aus objektiven Standortvorteilen und Attraktivität für Talente. Berlin zieht immer mehr Entrepreneure, Kapitalgeber und Talente an. Dies berichtet Marija Palmer in der englischen Financial Times vom 28.10.2011. Dutzende von Startups im Technologie- und Webumfeld entstehen jetzt gerade in Berlin. Entrepreneure und Kapitalgeber ziehen angelockt durch niedrige Mieten und Lebenshaltungskosten sowie den Zugang zur einer Vielzahl von kreativen Talenten in die Gründermetropole an der Spree. Diese gegenseitige Befruchtung führt zu mehr Momentum für ein europäisches Silicon Valley in Berlin.

    „It is the best start-up city in the world.“ – so wird Alexander Ljung, der co-founder von SoundCloud in der FT zitiert. Er ergänzt: „It is cheaper but it is not the essence of it. There is a really high number of people in the creative field there.“

    Die Attraktivität Berlins für Kapitalgeber lässt sich an der wachsenden Zahl der Startup-Inkubatoren darstellen (in Klammern die Investoren dahinter):

  • Zalando wächst und wächst – Number Crunching Teil 3

    Die Wachstumsstory von Zalando geht weiter! Und mein Eindruck aus vielen Gesprächen ist, das so langsam auch die (vermeintlich) Etablierten in der Branche den Expansionserfolg von Zalando genau im Blick haben. Dazu passt diese Aussage des Frankreich-Geschäftsführers von Zalando, die FashionUnited in einem lesenswerten Artikel recherchiert hat:

    Jerome Crochet, der Frankreich-Chef der Firma, geht nun davon aus, im gesamten Geschäftsjahr 2011 einen Turnover von 120 Millionen Euro in dem Land erzielen zu können.

    Um diese Zahl realistischer einordnen zu können, müsste man wissen, ob es sich um den Umsatz vor oder nach Retouren handelt. Leider wird dies nicht ersichtlich, ich tippe aber eher mal auf einen Umsatz vor Retouren, d.h. der Wert der Retouren wäre eigentlich davon abzuziehen. Nichts desto trotz eine sehr gute Zahl für den Markteintritt in Frankreich, auch und gerade vor dem Hintergrund dass die Brand-Awareness hier neu aufgebaut werden musste.

    Spannend an diese Zahl ist die Aussage, dass damit Frankreich das drittstärkste Land bei Zalando sein soll. Daraus lassen sich ebenfalls einige Rückschlüsse für eventuelle „Best Guesses“ für den Deutschland-Umsatz von Zalando ziehen. Wie immer gilt, das eventuelle Schätzungen dieser Größe gerne in den Kommentaren geteilt werden können.

    Auf den Zalando-Artikel bin ich aufmerksam geworden via eines Tweets von Thorsten Boersma – danke! Weitere Zahlen zur Geschäftsentwicklung von Zalando finden sich im ersten und zweiten Teil der Serie.