Begriffsverwirrung Multi-Channel-Retailing – Multichannel

In der aktuellen Blog-Diskussion zur dominanten Strategie für den Erfolg im E-Commerce wird glücklicherweise immer besser zwischen Multi-Channel-Retailing, Hybrid-Modellen und Pure-Play-Ansätzen unterschieden. In Beratungsalltag mit diversen Versendern, stationären Einzelhandelsketten, Online-Händlern und Medienunternehmen stößt man aber immer noch auf mangelnde Trennschärfe in der Definition der unterschiedlichen Betreibermodelle im E-Commerce.

A) Multi-Channel-Retailing / Multi-Channel-Handel (= Multichannel im engeren Sinne)

= Verzahnung von stationärem (!!) Offline-Kanal mit dem Online-Kanal, z.B. John Lewis oder ARGOS.

B) Hybrid-Modelle / „Mehrkanal-Händler“ (= Multichannel im weiteren Sinne)

= Verknüpfung von einem bestehenden Absatzkanal mit Distanzhandel, ursprünglich in Form des Katalogs; z.B. Neckermann in den Anfangsjahren, Club Bertelsmann. In der heutigen Zeit vor allem Verzahnung mit Online-Absatzkanal, z.B. Otto. Die meisten heutigen Hybrid-Modelle finden sich in der typischen Konstellation „Katalog-Versender goes Online“.

C) Online-Pure-Player

= These, dass in Wachstumsmärkten die Fokussierung auf den wachstumstreibenden Kanal und ein Logistik- und Service USP entscheidend ist für den Erfolg, z.B. Amazon, Zalando.

Beim modernen Multi-Channel-Handel der ersten Kategorie (A) wird im höchsten Reifegrad der Online-Kanal als strategische Wachstumschance erkannt und zum gleichberechtigten Kanal ausgebaut. Diese vollwertig in das Stationärgeschäft (!) integrierten Multi-Channel-Business Models bei denen der Online-Kanal signifikante zweistellige Prozentwerte des Gesamtumsatzes generiert, finden sich (fast) nur in UK und USA. ARGOS erwirtschaftete z.B. im Geschäftsjahr 2009/2010 43% seines Gesamtumsatzes durch Multi-Channel-Retailing-Maßnahmen (z.B. online reservieren – stationär abholen). Heinemann schätzt ein, dass in Deutschland allenfalls Globetrotter als echter Multi-Channel-Retailing Case gelten kann.

Die Hybrid-Modelle der klassischen Mehrkanal-Jongleure (B) sind dagegen richtigerweise nicht zielführend. Wachstumshemmend wirkt sich häufig aus, dass bei Hybrid-Modellen das bisherige Geschäfts als „Lead-Channel“ definiert wird. Martin Meinreken von Yalook fasst auf dem Shopanprobe-Blog in seinem sehr lesenwerten Beitrag den Mythos der erfolgreichen Verzahnung von Katalog und Online so zusammen:

Die Beispiele zeigen, wie stark sich die beiden Geschäftsmodelle eCommerce und Katalogversandhandel unterscheiden, obwohl beide zum Distanzhandel gehören. Katalog und Internet sind weit mehr als nur unterschiedliche Kanäle, beides sind eigene Geschäftsmodelle. Um im eCommerce erfolgreich zu sein, braucht es andere Prozesse, Denkweisen und letztlich auch Menschen mit dem passenden Know How.

Bei dem Online-Pure-Player-Ansatz (C) ist es spannend zu beobachten, dass die Zahl dieser reinen Online-Player in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Mittlerweile kommen immer mehr Direct to Consumer Geschäftsmodelle hinzu, die aber selten gänzlich ohne stationäres Geschäft sind. Heinemann fasst in seinem Buch Web-Exzellenz so zusammen:

Reine Online-Händler, also die „Pure-Online-Händler“, sind immer seltener anzutreffen. Insgesamt beträgt der Marktanteil der reinen Online-Händler am E-Commerce-Umsatz nur noch ca. 26 Prozent. Allerdings findet sich unter den „Pure-Playern“ auch die höchste Innovationsrate.

Vor dem Hintergrund der oftmals schwierigen Unterscheidung zwischen „echtem“ Multichannel und „Hybrid-Modellen“ plädiert u.a. Heinemann für die Neupositionierung unter dem Begriff des Cross Channel Managements.

Zalando – Number Crunching

Zalando gehört mit Sicherheit zu den E-Commerce-Gesprächsthemen 2010. Einige Zahlen, Daten und Fakten zum E-Commerce Phänomen Zalando.

  • Investoren haben Zalando mit 370 Millionen Euro bewertet
  • Zalando läuft nicht mehr auf Magento, auch nicht auf Hybris – sondern migriert auf eine Eigenentwicklung
  • Mehr als 300.000 Nutzer besuchen täglich Zalando

Zalando Traffic

  • Die Spekulationen zum Umsatz reichen von 100 bis 400 Millionen Euro
  • Zalando hat von Januar bis September 2010 in Summe 59 Mio Euro mehr als in der Vorjahresperiode für TV-Werbung ausgegeben
  • Damit kommt Zalando auf eine Gesamt TV-Werbeleistung von 61 Mio Euro gegenüber nur 3 Mio Euro in 2009 (zum Vergleich: Otto kommt nur auf 13 Mio Euro; Zweitplatzierter Unister auf 39 Mio)
  • Aus dem ursprünglichen Geschäftsmodell der Samwers „rascher Exit an Zappos“ ist nichts geworden
  • Dadurch änderte Zalando seine Strategie und wandelt sich mehr und mehr zum Online-Shop mit dem breiten Fashion-Sortiment
  • Zalando kaufte im Mai 2010 das Online-Fashion-Outlet MyBrands und verfügt mit der Zalando Lounge über ein eigenes Club-Shopping-Outlet
  • Zalando hat mittlerweile die zwölfte Finanzierungsrunde hinter sich

iPod Nano als Armbanduhr – Best Practice im Crowdfunding

Eine Technikidee, die sich um einen iPod Nano und eine Armbanduhr dreht, bricht aktuell alle Rekorde online. Auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter hat dieses Projekt bisher über 550.000 Dollar Startkapital von mehr als 8.000 Unterstützern eingesammelt. Die Idee zur iPod-Armbanduhr ist der US-Designfirma Minimal gekommen. Die Köpfe hinter Minimal haben mit maximal 12.000 Dollar gerechnet.

Das TikTak-Projekt zeigt auf, wie man kreative Projekte besonders erfolgreich auf Crowdfunding-Plattformen darstellen kann:

  • Das Produkt wird als Erzählung dargestellt, bei der der gesamte Entwicklungs- und Produktionsprozess transparent wird. Dabei stellen die Macher ihre ersten Ideenskizzen vor und den Weg zum Prototyp. Sie erzählen somit die Geschichte hinter und zum Produkt.
  • Es werden hochwertige Fotos und Videos verwendet.
  • Die Finanzierung / Spenden können nicht nur mit einem festen Betrag erfolgen, sondern nach dem so genannten Treppenstufenkonzept. Dabei haben die Fans die Möglichkeit unterschiedliche Summen bereitzustellen. Schon mit 25$ kann man dabei sein und erhält die iPod-Armbanduhr zum Vorzugspreis. In weiteren Stufen geht es hoch bis zur 500$-Spende mit je Treppenstufe höheren Benefits für den Spender.
Quelle: Minimal Designagentur
Quelle: Minimal Designagentur

Kickstarter hilft Erfindern, Künstlern und NGOs bei der Suche nach Unterstützung für ihre Ideen und Projekte. Burkhard Schneider vom Best Practice-Blog fasst das Konzept von Kickstarter so zusammen:

Auf kickstarter kann man kreative Projekte unterstützen. Man erhält keine Beteilgung, wird aber trotzdem nicht ohne Gegenleistung abgespeist. Ja nach höhe der finanziellen Unterstützung können sich die Projektbetreuer individuell Dinge ausdenken, die sie als Gegenwert zur Verfügung stellen, ob das ein T-Shirt, eine Musik-CD oder ein Privatkonzert ist.

Auf kickstarter können nicht nur Musiker Geld einsammeln, sondern alle Kreative. Es ist auch egal, ob es sich um ein Profit oder Non-Profit-Projekt handelt. Jedes Funding-Projekt ist zeitlich begrenzt und nur wenn die Mindestsumme zusammengekommen ist, müssen alle Supporter ihr Geld locker machen (via Kreditkarte). Im Falle des Erfolges erhält kickstarter 5 % Provision von dem eingesammelten Geld.

Auch Garmz ist als Vermarktungsplattform für talentierte Modedesigner ein Beispiel für den Trend zum Crowdfunding. Analysten wie Joao Belo sind allerdings skeptisch, ob das Crowdfunding-Konzept von Garmz aufgehen kann.

Groupon lehnt Kaufangebot von Google ab

Nachdem Google zwischenzeitlich das Kaufangebot auf 5,3 Milliarden Dollar aufgestockt hatte, bahnt sich aktuell eine bemerkenswerte Wende in der Übernahme von Groupon durch Google an:

Mashable meldet, dass Groupon das Milliarden-Dollar-Kaufangebot ablehnt und selbständig bleiben will!

Quelle: flickr / smemon87
Quelle: flickr / smemon87

Das ebenfalls in Groupon-Dingen gut unterrichtete AllThingsD-Blog meldet, dass der Jahresumsatz von Groupon deutlich höher ausfallen wird, als bisher angenommen. Statt 500 Millionen Dollar, geht AllThingsD von bis zu 2 Milliarden Dollar für das Gesamtjahr aus. Sollten diese Zahlen stimmen, erscheint die Ablehnung des Google-Angebots in einem anderen Licht. Damit würde ein Börsengang – eventuell noch in 2011 – möglich sein. Auf dieses strategische Ziel zahlt auch die lancierte Plattform-Strategie von Groupon ein.


E-Food – Lieferdienste für Lebensmittel – Food-Delivery

„Im E-Food Markt herrscht Goldgräberstimmung“, so LeShop-Manager Locher. Lieferdienste für Lebensmittel erhalten viel Beachtung. Die Komplikation liegt zum einen in der unzureichend ausgestalteten Lieferlogistik zum Endkunden („Letzte Meile“) und zum anderen in dem nicht profitabel durchführbaren Sammel- und Lieferprozess im letzten Lager / Ladengeschäft („Nadelöhr der Pickkräfte“).

Lieferdienste, die sich weniger als Händler sondern mehr als Dienstleister der lokalen Lebensmitteleinzelhändler sehen, könnten eine Lösung sein.

Ein Beispiel für diesen Ansatz ist Froodies. Froodies sieht sich als Partner der regionalen Händler. Froodies setzt auf einen dezentralen Ansatz und kooperiert mit lokalen Lebensmittelhändlern. Dabei kann Froodies technisch mit Cash&Carry-Märkten, lokalen Frischehändlern oder LEH-Ketten zusammenarbeiten. Besondere Aufmerksamkeit bekam Froodies durch die Kooperation mit Amazon. Froodies fokussiert sich auf die Bereitstellung der Technologie und Software, kann aber auch mit Froodies-Personal auf der Fläche des Händlers arbeiten und die bestellte Ware picken. Zukünftig fokussiert Froodies noch stärker auf den eigenständigen Lieferservice.

Das von Jochen Krisch geführte Interview mit Froodies-Gründer Lutz Preußner ist für die allgemeine Einschätzung des E-Food-Markts extrem hilfreich und aufschlussreich (der Vimeo-Channel von Exciting Commerce ist übrigens auch bei anderen Themen ein absoluter Must-Watch).

Bei der neuesten Gründung von Team Europe Ventures Lieferheld.de handelt es sich dagegen weniger um einen Lebensmittellieferdient denn um einen Bestellservice-Hub wie Grubhub.

Lieferheld.de ermöglicht es seinen Besuchern, einfach und schnell Essen online zu bestellen. Über den Service getätigte Bestellungen werden dann an die Restaurants weitergeleitet und anschließend vom jeweiligen Lieferservice ausgeliefert. Der Dienst wird zum Start in Berlin und Hamburg verfügbar sein und in naher Zukunft weitere Städte Deutschlands erreichen. Bereits zum Start umfasst das Angebot von Lieferheld.de mehrere hundert Lieferdienste.

Mehr Wert Generierung im E-Commerce am Beispiel von ModCloth

Im klassischen E-Commerce mit seinen starken Treibern auf SEO, Google-Steuer und Preissuchmaschinen versinken immer mehr Online-Shops im roten Ozean der Konkurrenz. Wie können Online-Shops wieder „Mehr Wert“ erzeugen?

ModCloth macht vieles von dem besonders gut, mit dem Fashion-Shops für ihre Kunden Mehr Wert generieren können:

  • Integration von Crowdsourcing Elementen über das „be the buyer“-Programm (Der Kunde als Co-Produzent)
  • Community einbeziehen durch Social-Commerce-Features wie Kundenbewertungen (5-star-ratings), sehr aktive Facebook-Community auf der die ModCloth Stylisten die Kundinnen zu Styling und Looks beraten. Zukünftig sollen ModCloth-User sich auch auf der Seite gegenseitig Outfit- und Kombinationstipps geben.
  • Sortimentsseitiger Fokus auf Eigenmarken und junge Designer

Durch diese Massnahmen versucht ModCloth ein Stück weit die Macht über Fashion & Trends aus den Händen einiger weniger Eingeweihter in die Hände aller Fashion-Begeisterten zu legen (Bottom-up statt Top-Down). ModCloth ist eine impulsgetriebene E-Commerce-Strategie. Das Shoppingerlebnis – auch und gerade mit anderen Nutzern auf der Seite – steht im Vordergrund.

Das starke Investoreninteresse an ModCloth bestärkt die positive Einschätzung des Geschäftsmodells. In der zweiten Finanzierungsrunde wurden knapp 20 Mio Dollar durch Accel Partners investiert. Das Konzept ist bereits Break-Even.